Natürlich ist es mal wieder ein Paradebeispiel für das Selbstverständnis einer Politikergeneration. Ein Mann arbeitet sich nach oben, hat Erfolg, wird mächtig und verklärt sich in Höhen, die nichts mehr mit normalen Verhältnissen zu tun haben. Privatkredite, Kredite zu Konditionen, von denen normale Menschen nur träumen und andere Verpflechtungen sind die Zutaten für genau die Dinge, die man etablierten Systemen gerne zu traut. Und die man als normaler Bürger nicht leiden kann, sei es aus Neid, sei es, weil die eigenen Moralverstellungen gründlich angegrifffen werden.
Dass der Bundespräsident Kai Dieckmann auf die Mailbox spricht, ist schon bemerkenswert. Normalerweise würde man erwarten, dass das Vorzimmer des Bundespräsidenten mit dem Vorzimmer des Bild-Chefredakteurs spricht und man um Rückruf bittet. Offenbar ist war das Verhältnis zwischen dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Diekmann deutlich näher, als man so denken würde. Wie Stefan Niggemeier in seinem Text aufzeigt, hat die „Bild“ in den letzten Jahr auch in schwierigen Momenten zu Wulff gehalten. Offenbar hat sich in dem Verhältnis einiges geändert.
Natürlich ist es dumm von Wulff auf der Mailbox eines Bild-Chefredakteurs wilde Drohungen zu hinterlassen. Natürlich ist ganze Sache insgesamt klebrig und riecht leicht streng. Man wundert sich halt, warum jemand wie Wulff nicht einfach zu einer Bank geht und sich die nötigen Euros leiht. Warum immer dieses Hin- und Hergeschiebe? Warum diese Heimlichkeit, diese Undurchsichtigkeiten, dieses Hinterzimmer-Gemauschel?
Vermutlich ist es in der Politik einfach normal, so zu arbeiten. Adenauer hat gerne seine Bankiers Pferdmenges und Abs zu Besprechungen mit genommen, die Verwicklungen von Franz-Josef Strauss sind legendär und spektakuläre Wechsel von der Politik in die Wirtschaft wie beim ehemaligen Minister Clement, zeigen die Nähe zwischen diesen beiden Seite auf.
Interessant ist, dass die Causa Wulff auch ungewollt die Nähe zwischen der Politik und den Medien aufzeigt. Und gerade mit der „Bild“. Es ist schon ein ärgerlicher Treppenwitz der deutschen Mediengeschichte, dass ausgerechnet die „Bild“ im Falle Wulff als die Gralshüter der Pressefreiheit dasteht.
Das ist natürlich Quatsch – die meisten Medien, und ich meine nicht nur die „Bild“ sind im Umgang mit Politikern genauso bigott, wie die Politiker selber. Unzählige, wenn auch oft nur angedeutete Beispiele, findet man allein im Blog von Michael Spreng. . Politk und Medien bilden eine Symbiose, man hilft sich, man unterstützt sich. Fast jeder kennt das aus der Lokalberichterstattung, wenn es mal ruchbar wird, dass das ehemalige Bürgermeister zusammen mit dem lokalen Bauunternehmer und dem Chefredakteur der Kreiszeitung was gemauschelt hat. Offenbar funktioniert das Geschäft selbst auf Ebene des Bundespräsidenten noch ganz genau so.
Dass die Medien sich hinstellen und den dummen Ausraster eines Politikers an den Pranger stellen, ist nicht falsch. Aber es zeigt eben auch die Bigotterie, mit der man unterwegs ist. So lange es hilfreich erscheint, so lange drückt man beide Augen zu, hilft sich, sorgt dafür, dass die negativen Schlagzeilen klein bleiben. Wären die etablierten, mit der Politik eng verzahnten, Mediensysteme ehrlich, müssten sie solche Geschichten früher, schneller und offener publizieren. Man kann jetzt viel darüber spekulieren, warum die Meldungen so geballt zu diesem Zeitpunkt kommen, warum nicht noch andere Geschichten, die ebenfalls im Umlauf sind und gerade durch ein paar agitorische Blogs nach oben geschwemmt werden, den Weg in die Medien finden. Oder warum Diekmann das Band nicht sofort in seinem Blatt veröffentlichte, sondern den Ball offenbar über die FAZ spielte, also gezielt die „Bild“ aus der Schusslinie nahm. Warum überhaupt 3 Wochen warten?
Das Geschrei von wegen „Einmischung in die Pressefreiheit“ ist gerade groß, aber dabei sind es viele Medien und Verlagshäuser selber, die die Pressefreiheit grad so nutzen, wie es ihnen passt. Pressefreiheit bedeutet auch, dass man seine Informationen möglichst schnell an die Leser weiter gibt, und nicht erst dann, wenn es der eigenen Meinung oppertun erscheint. Dass „Gatekeeping“ hat nichts mit Pressefreiheit zu tun, es ist sein Feind.
Aber all das macht eben auch klar, dass nicht nur Politiker bigotte Vorstellungen haben. Viele klassische Medien unterscheiden sich in Sachen Selbstverständnis und Bigotterie nicht allzu sehr von der Politik. Die Peinlichkeit um den Bundespräsidenten zeigt das immerhin mal deutlich auf.
9 Antworten zu „Der Wulff, die Medien und die Bigotterie“
Was ist die logische Konsequenz, nie wieder ein Bundespräsident aus politischen Reihen?
Steht pointierter auch hier:
https://www.taz.de/Kommentar-Wulff-und-die-Bild-Zeitung/!84833
Das ist ja fast unheimlich. Ich habe den Artikel in der taz vorher nicht gelesen.
wäre aber auch schlimm, wenn allein die taz dieses diffuse gefühl für sich gepachtet hätte und andererseits auch gut, dass es nicht nur blogger sind, die den öffentlichen und den gesamten prozess kritisch begleiten.
mir würde als logische konsequenz schon transparenz genügen. und wenn eben nur eine seite vorprischt. das wäre ne gute gelegenheit für politiker, sich hier wieder etwas ansehen zurückzuholen.
[…] ihnen nutzt. Diese Doppelmoral beschreibt auch Don Dahlman in seinem aktuellen Blogartikel “Der Wulff, die Medien und die Bigotterie“. Die taz stimmt in ihrem Artikel Wulff benimmt sich wie ein Provinzpolitiker, […]
[…] Der Wulff, die Medien und die Bigotterie (Don Dahlmann, […]
chrissi an kai: ich vergrab dein herz an der biegung des rubikon!
was weißt du kleiner bubi schon
vom krieg? hör auf zu stressen!
ich schubs dich in den rubikon
die fische wollen fressen
und kuck mal deine trulla an:
debil und über vierzig!
dagegen meine: voll vulkan
sie trägt nen rock? den kürz ich!
ich spritz dein hemd mit säure voll
dein samt ist dann beschädigt
don’t fuck with me, du kleiner troll!
für mich bist du erledigt
[…] DonDahlmann hat hierzu mal wieder volltreffend über die Medien und Bigotterie geschrieben […]
[…] kaum noch einer versteht. Was Wulff aber anscheinend meinte, war: Es ist vorbei mit der BILD-Wulff-Symbiose, die über viele Jahre so wunderbar geklappt hat. Vorbei die Zeit, in der Wulff sich für seine […]