Sven Wiesner hat diese Woche einen kleinen Rant losgelassen. Er beschwert sich, dass sich Blogger von Unternehmen instrumentalisieren lassen und blind deren Marketingkampagnen hinterher laufen, ohne eigene Akzente setzen zu können. Gemeint waren vor allem Fashion-, Reise- und Autoblogger, die für eine kleine Reise an einen netten Ort das Netz mit den passenden Hashtags und Blogeinträgen vollhauen. Das ist gut fürs SEO der Marken, aber führt seiner Meinung nach dazu, dass die Unternehmen Blogger nur als billiges Contentvieh ansehen.
Das ist in der Tat nicht so ganz falsch. Natürlich gibt es unabhängige Blogger, die sich von hübschen Reisen nicht beeindrucken lassen und denoch kritisch schreiben. Doch wenn man ehrlich ist, dürfte dies eine Ausnahme sein. Die meisten Blogger schreiben aus Spaß, so eine Reise ist meist sehr luxeriös, dann kann man auch mal nett drüber berichten. Darunter leiden aber die semi- und vollprofessionellen Blogger, die die Dinge gerne anders angehen würden.
Ich teile meine Gedanken zum besseren Verständnis mal auf.
1. Blogs/Blogger/Content Marketing
Ein Blog ist zunächst einmal, unabhängig vom Inhalt, eine technische Beschreibung für einen Medienkanal im Netz. Aber es gibt Unterschiede, was die Autoren angeht.
Es ist nötig, die Definition „Blogger“ zu schärfen, denn so kommt man nicht weiter. Man sollte zwischen „Blogger“ und „Branded Content Autor“ unterscheiden.
Ein Blogger berichtet aus einer subjektiven Perspektive über unterschiedliche Dinge. Oder ist monothematisch aufgestellt. Da kann es um Medienpolitik gehen oder um Katzen. Es geht nicht im Marken oder Markenbildung, mal abgesehen von der eigenen Marke.
Ein Autor, der über Produkte schreibt, ist unweigerlich in der Marken- und Imagebildung eingebunden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob man positiv, neutral oder kritisch über eine Marke berichtet. Der Produktname ist unweigerlich in meinem Artikel eingebunden, die Erwähnung ist schon eine Werbung. Wie bei den meisten Mediaauswertungen machen Unternehmen oft keinen Unterschied mehr, ob man die Erwähnung positiv oder negativ ist. Zwar zeigen Monitoringsysteme negative Erwähnungen an, dies aber meist nur unscharf. Was man Ende zählt, ist die Reichweite.
In dem Moment, in dem ich eine Marke erwähne, betreibe ich „Branded Content Marketing“ für ein Unternehmen. Das ist die Gegenleistung für die Einladung usw. Ob das immer als Gegenleistung reicht, ist dann wieder eine andere Frage. Hier greifen dann zukünftige Finanzierungsmodelle (Brand Ambassador usw.), das würde aber jetzt zu weit führen.
Der Unterschied zwischen „Blogger“ und „Branded Content Autor“ ist von außen nur schwer zu erkennen, hier kommt es dann wohl eher darauf an, wie man sich je nach Blog selber betrachtet und dies auch kommuniziert. Die Unterscheidung macht es zumindest klarer, wo man steht. Sie hat aber nichts damit zu tun, dass man deswegen seine Kritikfähigkeit verlieren sollte, sondern dient einer besseren Positionierung des Autors gegenüber Unternehmen und Agenturen.
Denn als Blogger hat man nicht nur eine Marke, sondern ist eben auch Verteiler und ebenso wie Printangebote sollte man sich das honorieren lassen.
Teil 2: Konzepte und Contentstrategie
Sven beklagt auch, dass die Autoren selber zu wenig Aktivität zeigen würden, was die Art der Veranstaltungen angeht. Tatsächlich ist es so, dass die meisten Unternehmen ihre Medienarbeit nicht verändert haben. Statt ein paar freier Journalisten lädt man jetzt eben Blogger ein. Die Kosten ändern sich nicht, dafür deckt man das Internet ab. Für die Firmen eine Win-Win Situation. Denken sie zumindest, aber das stimmt nicht. Denn Blogger benötigen auf Dauer anderen Content als Printmagazine.
Nehmen wir das Beispiel Auto: Printmagazine haben einen beschränkten Platz, was Text und Bilder angeht. Blogs bekanntermaßen nicht. Für Fotos gibt es keine Beschränkung, ebenso für Videos usw. Mit den Möglichkeiten kann man also anders arbeiten, dafür benötigt man aber viel Zeit. Und Zeit hat man auf den meisten Fahrevents nicht. Wenn man Glück hat, kommt man auf eine Fahrzeit von vier bis fünf Stunden. In der Zeit muss man eine Location suchen, Fotos machen, das Auto kennenlernen usw.
Vielen Autoren geht es aber darum, eine Geschichte zu erzählen. Reine Spaltmaße von Autos oder wie groß der Kofferraum ist, interessiert nicht. Die Informationen holen sich Leser sowieso woanders. Man kauft Mode und Autos nur noch selten nach dem Aussehen, sondern nach dem Image. Was Mode- und Autohersteller auch schon längst verstanden haben, sonst würden sie nicht in der Werbung auf reine Image-Kampagnen setzen. Komischerweise setzen Autohersteller dass in ihrer Arbeit mit dem Netz, wo es um nichts anderes als Image geht, nicht mehr um.
Eine weitere Sache: Unternehmen (und da sind nicht nur Autohersteller gemeint) stellen nur das fertige Produkt vor, was zu kurz gedacht ist. Apple und andere Hersteller zeigen seit Jahren, dass nicht auf die Produktvorstellung ankommt, sondern auf den Buzz, den man schon vorher erzielt. Aber es ist noch kein Unternehmen auf die Idee gekommen einen solchen Prozess einzuleiten.
Auf der anderen Seite hören Unternehmen selten zu. Can Struck hat Dilemma auf Facebook schön zusammengefasst:
„Auf die Hersteller zugehen bringt oft nix weil sie ihre Agenturen für Marketing haben. Auf die Agenturen zugehen bringt nix weil Agenturen an sich genau dafür bezahlt werden: Marketingkampagnen und Ideen aus dem Hut zaubern. Die werden sich nicht die Blöße geben jemanden anderen um Ideen zu fragen.“
Das, was Sven fordert, selber Ideen zu entwickeln funktioniert nur selten, weil es in den Unternehmen in der Ablage „P“, landet. Die wenigsten Unternehmen haben eine zentrale Onlinesteuerung, die Aufgaben werden auf unterschiedliche Abteilungen verteilt (Marketing, PR. Special Marketing, Lifestyle), die wiederum unterschiedliche Agenturen beauftragen.
Eine Lösung des Problems wird nicht um „Hau-Ruck-Verfahren“ gehen. Beide Seiten müssen umdenken. Autoren müssen sich ihrer Rolle als „Branded Content Autor“ besser bewusst sein. Was bedeutet, dass ihre Position für sich und gegenüber den Unternehmen genauer definieren. Unternehmen müssen wiederum umdenken, was ihr Content-Vermarktungskonzept angeht. Events müssen anders gestaltet werden, die Strategie im Unternehmen besser koordiniert werden. Unternehmen wie Autoren müssen sich dann im nächsten Schritt auch über zukünftige Finanzierungsmodelle Gedanken machen.
12 Antworten zu „Blogger oder Branded Content Autor?“
Sachlich ein paar richtige Ansätze – gerade was Du zu Unternehmen und Agenturen schreibst. Aber am Ende ist das immer eine Frage von Angebot und Nachfrage. So lange genügend Blogger jede Pressemitteilung völlig unkritisch veröffentlichen, weil man über google-News auch damit ein ordentliches Taschengeld verdienen kann, gibt es für die Unternehmen eben genügend billige Kanäle um eine Botschaft zu setzen.
Ich denke, wir brauchen einfach mehr Blogs, die sich über Qualität definieren. Wobei mir klar ist, dass man sich das auch leisten können muss. Ich hatte vor zwei Wochen versucht, mal unter Bloggern über Qualität und Motivation zu diskutieren. http://1300ccm.de/intern/warum-bloggst-du-eigentlich_6905198.html
Leider sind da noch nicht so viele eingestiegen.
[…] gebe Don Dahlmann übrigens Recht, wenn er schreibt, dass meine Anforderungen an eine Presseveranstaltung etwas anders sind, denn ja – Fotos […]
Wie es sich gehört, antworte ich hier nicht einfach mit einem kurzen Kommentar, sondern mit einem Blogbeitrag: http://www.rad-ab.com/2013/02/08/relevanz-reichweite-reputation-rank-riesen-ego/
@Tom Ja und Nein. Ja, es gibt genügend Contentfarmen und Blogger, die ohne auf die Qualität zu achten News in die Welt setzen. Aber eine reine quantitative Verbreitung ist keine Kommunikation, das ist nur Werbung. Wenn ich kommunizieren möchte, brauche ich qualitativ hochwertige Berichte, auch in Blogs. Nur ist das bisher kaum irgendwo in der Automobilbranche angekommen. Andere Branchen (Transport, Essen/Lebensmittel, Entertainment) sind da schon weiter.
Die Blogger sind eigentlich die „neuen“ Journalisten und deshalb sollten für sie auch die selben Richtlinien gelten. Schliesslich bist du per Definition nur Journalist, wenn du unabhängig berichtest. Sonst ist es PR und kein Journalismus.
@Captain: Nein, das ist nicht richtig. Blogs/Blogger sind keine Verlage, das war schon immer ein Missverständnis. Verlage können Einnahmen (Anzeigen) und Text (Redaktion) trennen, Blogger sind das alles in einer Person. PR ist mittlerweile fast alles, was im Netz passiert, das geht bin in den Bereich des eigenen Reputationsmanagement. Also was man schreibt, was man über sich lesen will usw. In Blogs vermischt sich das noch stärker. Dazu: Ich kenne Print ja selber gut, ich weiß, dass da die Trennung zwischen PR und Redaktion beiweitem nicht so streng ist, wie man das immer gerne vorgibt. Das mag beim Spiegel, bei der FAZ usw. gehen, bei vielen Segementzeitschriften (Auto, Reise, Frauen usw.) schon mal nicht. Deswegen plädiere ich ja auch dafür, dass man dem Kind einen Namen gibt.
@DonDahlmann Blogger sind keine Verlage, aber quasi Journalisten. Auch wenn die meisten kein Geld bekommen. Das Problem mit der Trennung bei Print ist mir bekannt, ist aber in DE gesetzlich verankert. Ich war dort auch mal Journalist :)
Moin Don. Du schreibst: „Vielen Autoren geht es aber darum, eine Geschichte zu erzählen“. Gerade das fehlt mir. Die Geschichten. Die kreativen Ansätze. Mal was anders machen. Anstatt wird reihenweise langweiliger Kram veröffentlicht damit die Agentur ihr Clipping kriegt.
Du schreibst man kann den Zirkus nicht ändern, das sehe ich anders. Ihr seid hervorragend vernetzt. Nutzt das doch mal um eine dämliche Kooperationsanfrage geschlossen abzulehnen und mit einem Gegenvorschlag zu beantworten! Ich wette um ne Kiste Astra dass sich da zukünftig einiges regt.
Es gibt nicht den Blogger. Wie es auch nicht den Journalisten gibt. Es gibt auch nicht den PR-Experten oder den einen investigativen Journalist. Es gibt verschiedene Facetten. Das Thema Branded Content Autor wird zunehmen, an Bedeutung gewinnen. Ich bekomme selber sehr viele Anfragen. Einige sind semiprofessionell gestellt, einige sofort als lieblose und hirnlose Massenmail zu identifizieren. Andere geben sich Mühe.
Aber am besten macht man es ja immer an Beispielen fest. Wochen vor der ISPO München 2013 bekam ich Anfragen von kleineren, mittleren und größeren Agenturen mit Bildmaterial, Pressemitteilungen, Standeinladungen, angekündigten Begrüßungsgeschenken beim Besuch etc. Outdoor-Hersteller selber haben auch nochmal kräftig meine Adresse bemüht. Da ist schon eine unheimliche Sehnsucht vorhanden in Blogs die Marketingbauklötzer unterzubringen. Andererseits sollte dies auch nicht zu einer Selbstüberschätzung der Situation führen. Blogs sind im Medienozean ein ginteressantes Flüßchen.
Letztendlich selektiere ich die Anfragen auch nach Qualität, Timing und interessanten Details. Ist es für meine Leser wirklich lesenswert?
Es bleibt spannend.
[…] “Don” reagiert in seiner Replik auf Sven mit der Frage nach der Rolle von Bloggern: Blogger oder Branded Content Autor? Und das finde ich höchst spannend. Denn dahinter steckt auch die Frage nach der Perspektive […]
Man könnte die Diskussion vielleicht etwas abkürzen:
Ein Blogger ist jemand, der interessante Themen aufgreift und seine eigene Meinung dazu zur Diskussion stellt.
Alle anderen, die sich von Unternehmen vor den Karren spannen lassen, haben mit dem Grundgedanken des Bloggens nichts mehr zu tun. Sie sind in meinen Augen gekaufte Schreibknechte. Darüber hilft auch die schöne Umschreibung „Branded Content Autor“ nicht hinweg.
[…] Jede Kurpfuscherei braucht schließlich Trompeter – oder zumindest mit Erdnüssen bezahlte “Branded Content Affen”, die mit den Centstücken aufs Tamburin […]