Also habe ich mich mal wieder mit PGP, Truecrypt, VPNs und Tornetzwerken auseinander gesetzt. Ich habe konfiguriert, Schlüssel erstellt, so komplizierte Passwörter ausgedacht, dass ich sie sofort wieder vergessen habe. Ich habe mal durch meine Mails (Google, was sonst) geschaut, was sich da so alles an Missverständlichkeiten verbirgt. Ich habe mir meine Suchhistory angeschaut und war erstaunt. Denn ich schreibe ab und an für Security-US-Blogs zum Thema Sicherheit in Datenzentren, DDos-Angriffe per DNS-Attacken usw., Social Media Sicherheit usw. Wenn man meine Aktivitäten dort auf bestimmte Parameter eingrenzt, bin ich voll im Raster. Also müsste ich zur Sicherheit eigentlich alles verschlüsseln, was ich verschlüsseln kann.
Das Problem mit der Verschlüsselung ist nicht mal, dass ich keine Lust dazu habe, weil es mir zu viel Aufwand ist (auch). Das Problem ist eher, dass ich nicht wahrhaben will, dass “mein” Internet zu einem Ort geworden ist, dem ich nicht mehr vertrauen kann.
Natürlich gilt das Argument, dass ich ja auch meine Wohnungstür abschließe. Aber ehrlich gesagt: wenn nicht dauernd jemand sagen würde, dass ja draussen Einbrecher rumlaufen, die meine Sachen klauen wollen, würde ich meine Haustür auch nicht abschließen. (Viel größer, als die Angst vor Einbrechern, ist die Angst, dass mögliche Einbrecher die Tür auflassen würden und meine Katzen darob verschwinden könnten).
Mein Internet ist eins, in dem jeder sagen kann, was er will, ohne dass er über Metadaten und die Kombination von Worten nachdenken muss. Aber mein Internet ist tot und es wird auch nicht mehr zurückkommen. Ich habe keine Lust, meinen inneren Zensor anzuwerfen, der mich bei jedem Satz denken läßt, ob dieses oder jenes jetzt oder in Zukunft vielleicht eventuell irgendeinen Geheimdienst irgendwo auf der Welt aufhorchen lässt. Ich muss mir schon am Flughafen schale Witze über die Bombenstimmung am Gate verkneifen, jetzt muss ich das auch im Netz. Es sei denn, ich verschlüssle meine Kommunikation.
Der Aufwand, den ich betreiben muss, um “sicher” zu sein, um allen möglichen politischen Eventualitäten in Zukunft aus dem Weg zu gehen, ist mir zu hoch. Und im Grunde, da machen wir uns mal nichts vor, ist die Verschlüsselung ja erst recht ein Grund für manche Geheimdienste ein Auge drauf zu werfen. Verschlüsselte Kommunikation ist zu dem nicht unknackbar, sie macht den Geheimdiensten die Arbeit nur etwas schwerer. Und wer sagt, dass in den verfügbaren Programmen, VPNs usw. nicht doch eine Backdoor steckt? Wer sagt, das in jedem Betriebssytem schon eine Backdoor steckt? Oder im Intel/AMD/Qualcomm Prozessor (alles US-Firmen), den 99.999999 % aller Menschen nutzen? Und warum sollte Linux da besser sein, als Microsoft oder Apple, die ja beide knietief mit drinstecken? Wie man merkt, man wird paranoid.
Die Konsequenz daraus ist, dass ich meine Kommunikation im Netz auf das Banale und die Arbeit reduziere. In privaten Dingen mache ich das allerdings schon etwas länger. Freunde, Beziehungspartner usw. finden in meiner Online.Kommunikation schon länger nicht mehr statt. Das hat nichts mit der Überwachung zu tun, sondern mit dem Schutz der Privatsphäre von Geschäftspartnern und Freunden. Ich blogge lange genug um zu wissen, dass manche nett gemeinte Bemerkung viele Jahre auch in den falschen Hals gelangen kann. So ist meine Vorsicht weniger der Überwachung geschuldet, sondern mehr dem Seelenfrieden mir bekannter Menschen.
Aber traurig ist es allemal. Das Internet, als Hort der freien Meinungsentfaltung verschwindet mehr und mehr, weil sich über alles ein Schleier des Zweifels legt. Es wird sich auch nicht mehr erholen, weil das Misstrauen gegenüber allem und jedem zu tief sitzt. Wer sagt, dass der neue heiße VPN-Anbieter nicht mit V-Leuten der NSA, des BND oder sonst wem durchsetzt ist? Wer sagt, dass die die neue Verschlüsselungssoftware nicht über fünf Ecken durch Geheimdienste entwickelt wurde? Auch wenn es in diesem Zusammenhang etwas merkwürdig klingt: Man kann ja mal die NPD oder ehemalige RAF-Mitglieder fragen, wie das mit den V-Leuten so ist. Warum sollten solche Menschen nicht bei den Herstellern von Sicherheitssoftware, Prozessoren usw. sitzen?
Wenn man die Äußerungen von führenden Politkern und Geheimdienstlern so hört, dann scheint die fehlende Empörung nur daran zu liegen, dass die Überwachung für diese Menschen schon seit langem zum Alltag gehört. Ich hatte neulich schon den Gedanken geäußert, dass die Überwachung offensichtlich so weit gediehen ist, dass selbst mittelkleine Lichter wie Snowdon darüber Bescheid wissen. Das sie irgendwann rauskommen musste, war nur eine Frage der Zeit. Eine echte Empörung, eine echte Überraschung gibt es seitens der hohen Politik nicht. Eben weil es schon seit langem Usus ist, und wenn etwas in gewissen Kreisen normal ist, dann sind die Beteiligten auch nicht mehr überrascht. Höchstens darüber, dass es so lange niemanden aufgefallen ist. Wäre das alles ein Hollywood-Streifen, dann wurden weltweit Politiker und Geheimdienstler in Handschellen abgeführt. Die Medien würden nach rollenden Köpfen gieren. Stattdessen gibt es ein fast resigniertes Betrachten des Status Quo und den Hinweis, dass es ja schon immer so war.
Das Internet, so wie ich seit knapp 20 Jahren kannte, gibt es nicht mehr. Und keine Verschlüsselung der Welt kann das Gefühl von Freiheit wieder bringen. Im Gegenteil, eine zwangsweise Verschlüsselung macht mir jedes Mal nur deutlich, das die Freiheit weg ist und sich vielleicht noch in Nischen verkriecht, die immer kleiner werden.
Eine Lösung böte nur das komplette Verbot von ansatzloser Überwachung. Aber das ist vermutlich genauso utopisch, wie die Idee der totalen Informations- und Gedankenfreiheit im Netz.
6 Antworten zu „Verschlüsselung“
[…] on http://www.dondahlmann.de · the article page · http://www.dondahlmann.de on QUOTE.fm […]
Ja. Aber:
Es reicht doch nicht, bei der Traurigkeit über das verlorene Paradies (das ja auch nur eins war, soweit wir im seligen Stand der Unschuld und des Nichwissens waren) stehen zu bleiben. Es kommt nicht wieder. Aber das heißt nicht, dass es keinen Sinn hat, gegen die paranoiden Strukturen zu kämpfen. Mag sein, dass das erst mal wenig oder gar nichts ändert. Aber wenn wir uns mit allem abfinden, dann wird es nicht so bleiben wie es jetzt ist. Dann wird es noch schlimmer werden und Ausmaße annehmen, die wir uns nicht einmal vorstellen können. Genau wie es in den letzten Jahrzehnten passiert ist.
„Ich habe mal durch meine Mails (Google, was sonst) geschaut (…)“
Das verstehe ich nicht: Warum Googlemail nutzen, wenn man eine eigene Domain mit eigenem Namen hat? Ich nutze meine Pseudonym-Gmail-Adresse nur für Stellen, wo ich meine „echte“ Anschrift nicht angeben mag (wie z.B. für Mailinglisten oder für Kommentar-Pflichtfelder).
[…] Verschlüsselung […]
[…] Verschlüsselung | Irgendwas ist ja immer – Reloaded | Don Dahlmann – Das Internet, so wie ich seit knapp 20 Jahren kannte, gibt es nicht mehr. Und keine Verschlüsselung der Welt kann das Gefühl von Freiheit wieder bringen. Im Gegenteil, eine zwangsweise Verschlüsselung macht mir jedes Mal nur deutlich, das die Freiheit weg ist und sich vielleicht noch in Nischen verkriecht, die immer kleiner werden. […]
Deinen Artikel kann ich gut nachvollziehen, aber ich ziehe andere Konsequenzen, die Resignation ist mir beim Thema Freiheit beim besten Willen nicht möglich. Auch aus ganz persönlichen Gründen nicht. Deine private Kommunikation, wie läuft die denn ab? Nur persönlich und ein Bote bestellt die Leute zum Treffpunkt? Oder schreibst Du Briefe, telefonierst du, möglichweise sogar mit dem Handy? Dann kannst Du auch bloggen und unverschlüsselte Mails schreiben, das kommt aufs Gleiche raus. Es geht nicht um Technik und Überwachung. Es geht um bürgerliche Freiheitsrechte, das wird früher oder später unbequem, so weit reicht keine lebbare Rückzugsmöglichkeit. Ich glaube es lohnt sich für die Bürgerrechte zu kämpfen. Dass man das muss ist schade, aber so ist mein Denken und Empfinden zu diesen Vorgängen.