Iran und die Medien

Während meines Studiums habe ich mich eine Zeit lang mit Informationspolitik beschäftigt. Also, wie Informationen im Fall einer Krise verbreitet und gesteuert werden. Darauf einzugehen wäre etwas zu langatmig, aber zwei Dinge sind mir aus der Zeit hängen geblieben:

1. Egal, um welche Krise es sich auch handelt, egal wer berichtet, die erste Frage lautet: „Cui bono“. Wem zum Vorteil?

2. Welches gelieferte Bild wird wie verzerrt?

Man neigt, insbesondere bei der Berichterstattung aus Ländern, die im Westen eher auf der „Negativliste“ stehen, schnell dazu Proteste gegen eine herrschende Regierung als „Freiheitsbewegung“ zu sehen. Im Falle des Iran, insbesondere bei Hossein Moussavi wäre ich da aber vorsichtig. Dazu hilft es schon, wenn man mal für ein paar Minuten recherchiert.

Denn Hossein Moussavi ist mitnichten der aus der Versenkung aufgetauchte Demokrat, der nun den Iran aus seiner (vermeintlichen) Isolation und in die Freiheit führt. Im Gegenteil. Mussavi ist einer, der aus Anfangszeit der iranischen Revolution stammt und von 1981 bis 1989 Premierminister des Irans war. In diese fällt u.a. auch die Fatwa gegen Salman Rushdie, die er, laut eines Artikels von CNN, auch unterstützt haben soll. Auch ist seine Haltung zu der iranischen Atompolitik nicht sonderlich anders als die von Ahmadinejad. Moussavi setzt sich wohl für mehr Rechte der Frauen ein (in welchem Umfang ist nicht klar), was aber, glaubt man der vom Iran finanzierten Nachrichtenagentur „PressTV„, auch nicht immer so ganz stimmt. Auf der anderen Seite war es die gleiche Agentur, die vor wenigen Tagen berichtete, dass Moussavi in den Umfragen, zumindest in den Städten, weit vor Ahmadinejad liegen würde. Wenn man bedenkt, dass PressTV durch die iranische Regierung finanziert wird, könnte man zum dem Schluss kommen, dass das Wahlergebnis von Ahmadinejad von 60% + zumindest fragwürdig ist. Und wer eigentlich im Iran im Hintergrund die Fäden zieht, damit der jetzige Amtsinhaber verschwindet, ist auch nicht klar. Zu mal die Macht- und Regierungsverhältnisse im Iran etwas komplizierter sind, wie man an diesem Schaubild sehen kann.

Moussavi dürfte auf Grund seiner Vorgeschichte gute Kontakte in den wichtigen, den Iran eigentlich regierenden, Wächterrat (Ausführlicher bei Wikipedia EN) haben. Es ist auch der Wächterrat, der die Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen bestimmt. Es wäre überraschend, wenn der Rat einen Mann zuläßt, der die Ideale der Revolution in Frage stellen würde. Im Wächterrat selber sitzen wiederum sitzen einige Mitglieder, die die iranische Revolution von Anfang begleitet haben. Es ist dementsprechend vielleicht auch kein Wunder, dass genau dieser Wächterrat nun eine Überprüfung der Wahl versprochen hat. Aber überraschend ist es schon, denn man braucht kein Kenner des Irans zu sein, um hier einen Machtkampf hinter den Kulissen zu vermuten. Wenn man bedenkt, dass der Wächterrat durch den Präsidenten spricht, ist das noch erstaunlicher. Für die älteren: Das wäre vergleichbar, als wenn in der UdSSR das Politbüro den Präsidenten öffentlich getadelt hätte.

Verkompliziert wird die Sache, und damit auch der Berichterstattung in den hier zu empfangenden Medien, allerdings durch den Umstand, dass sich die USA und der Iran spätestens seit dem letzten Irak-Krieg, in einer Art „kalten Krieg“ befinden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die USA seit Jahren versuchen, im Iran eine Art Opposition auf die Beine zu stellen, was wohl eher so mittel klappt. Eine Analyse im Blog Global Guerillas aus dem Jahr 2006, in der es auch um eine militärische Alternative geht, zeigt deutlich auf, dass der Einfluss auf mögliche Gegner im Land verschwindend gering ist.

Aber so innenpolitische Krisen eignen sich zumindest dazu, das schwelende Feuer etwas zu unterstützen. Eine solche Unterstützung findet einerseits mit Geld, andererseits mit technischem Know-How statt. Dazu kommt, dass die iranische Netzgemeinschaft extrem gut organisiert ist. Dank des, meines Wissens immer noch inhaftierten, iranischen Bloggers Hossein Derakhshan (aka „Hoder“) (Facebook), der dafür sorgte, dass Farsi 2006 zu den 10 Sprachen gehörte, in denen am meisten gebloggt wurde, hat sich eine sehr starke Blogszene etabliert. Aus dem selben Jahr stammt die Schätzung von rund 700.000 iranischen Blogs. Wie viele davon wiederum von der pro-westlichen iranischen Opposition, die stark von Exil-Irakern, den USA und England gefördert werden, stammen, ist dann wieder eine andere Frage. Aber die USA haben, auch das ist bekannt, im Iran nicht den allerbesten Ruf, weswegen die offizielle „mal sehen was passiert“ Haltung der USA nachvollziehbar ist.

Zwei Dinge bleiben für mich im Moment schwer zu durchschauen:

1. Ist Moussavi tatsächlich der „freiheitliche“ Kandidat, den die Medien gerade so hoch leben lassen, oder ist er nur das „kleinere Übel“, den die USA anstelle von Ahmadinejad haben wollen, weil der sich in eine diplomatische Sackgassse manövriert hat? In dem Fall würde das bedeuten, dass man versucht, Ahmandinejad aufs Abstellgleis zu schicken, um mit Moussavi einen diplomatischen Neustart zu versuchen. Eine recht interessante Analyse des Kandidaten Moussavi findet sich auf der Pro-Iranischen Webseite Iran Press News, die schlüssig analysiert, warum der Westen einen Präsidenten Moussavi nicht ablehnend gegenüber steht.

2. Wer orchestriert die Proteste? Wie die meisten netzaffinen Menschen mittlerweile mitbekommen haben sollten, lassen sich im Netz innerhalb kurzer Zeit über Twitter usw. durch wenige Quellen viele Menschen aktivieren.

Mit einer demokratischen Bewegung hat das aber alles nichts zu tun, dafür müsste man den Wächterrat los werden. Verschiedene Quellen sprechen davon, dass die wirtschaftliche Lage im Iran, seitdem Ahmadinejad auf Konfrontation mit den USA gegangen ist, miserabel ist und zu dem das dpilomatische Klima zerstört sei. Moussavi gilt widerum als einer, der die Wirtschaft zumindest während seiner Zeit in der 80er Jahren im Griff hatte. Vielleicht geht es im Iran weniger um eine Öffnung in Richtung des Westens, denn mehr um eine Lockerung der strengen Regeln und eine wirtschaftliche Erholung, die man sich durch Moussavi verspricht. Eine andere Variante ist, dass sich Ahmadenijad in den letzten Jahren eine Machtbasis geschaffen hat, die dem Wächterrat ein Dorn im Auge ist. Jens Berger hat dazu einen längeren Artikel, in dem er darstellt, dass der Wächterrat versucht Ahmadinejad los zu werden, ohne das Gesicht zu verlieren.

Man sollte zumindest im Hinterkopf behalten, dass bei allen Facebook und Twitter Aufrufen nicht zwingend darum geht, dass Moussavi ein „lupenreiner Demokrat“ ist, oder darum, das man im Iran die Demokratie einführt.

16 Antworten zu „Iran und die Medien“

  1. thomas wanhoff

    du hast sowas von recht. danke fuer diesen beitrag

  2. Jörg

    Gut, kurz zusammengefasst ein paar Überlegungen, die mir heute schon im Verlauf des Tages kamen:

    1. Solange es im Iran ein wie auch immer geartetes Gleichgewicht der verschiedenen Fraktionen im Klerus gibt, ist Ahmadineschad außenpolitisch keine allzu große Gefahr. Der dröhnende Antisemitismus dient dann primär der eigenen Anhängerschaft.

    2. Wenn es ihm gelingt, die innenpolitische Konkurrenz auszuschalten (darunter auch Oligarchen wie Rafsandschani), ist er außenpolitisch weniger berechenbar. Diese konkrete Gefahr besteht, wenn es sich tatsächlich um eine Form von „Putsch“ handelt.

    3. Ahmadineschads Opposition ist aus ökonomischen und machttaktischen Gründen an einer Entkrampfung des Verhältnisses zum Westen interessiert. Gesellschaftspolitisch wäre eine leichte Liberalisierung zu erwarten, auf Kosten der Landbevölkerung, die nicht weiter materiell gepäppelt würde.

    So weit die ersten Überlegungen, ohne einen wirklichen Durchblick zu haben.
    Greetings,
    Jörg

  3. Danke für die ausführliche Darstellung. Bei allem, was ich in den letzten Tagen gelesen und gesehen habe, scheint es mir so zu sein, dass sich viele Wähler Mussawis durchaus bewusst sind, dass sie mit ihm eben „nur“ das kleinere Übel wählen. Es bleibt aber eben das kleinere und wäre ein erster Schritt. Und der wäre glaube ich der Wichtigste.

  4. Ach ja:

    Solange es einen politischen Pluralismus gibt, ist die islamische Republik als Theokratie relativ stabil und berechenbar. Ein Putsch, der zu einer „politischen“ Diktatur führt (welcher Seite auch immer, mit Demokraten haben wir es m.E. auf keiner Seite zu zu tun) wäre sowohl innen- als auch außenpolitisch destabilisierend.
    Bis dann,

    Jörg

  5. Brillianter Tageskommentar. Immerhin, und das dürfte auch Mussavi nach dem heutigen Tag nicht ganz entgangen sein, ist die Bevölkerung Irans keineswegs bereit jede bittere Pille zu schlucken.

  6. […] aussen befeuert werden würde. Zwei sehr gute Artikel dazu gibt es beim Spiegelfechter und beim DonDahlmann. Sollte man lesen, bevor man voreilige Schlüsse […]

  7. Wenn ich beim Datenoverkill der letzten Stunden nicht etwas völlig falsch mitbekommen habe, dürfte aber die Tatsache allein, dass der Wächterrat das Wahlergebnis überprüft alleine noch keine Sensation sein – das tut er immer, denn zum Prüfen ist er schließlich da.

    Wenn das bislang offizielle Ergebnis allerdings vom Wächterrat nicht bestätigt wird, dann wird die völlig zu Recht aufgeworfene Frage „Qui Bono“ erst richtig spannend.

    Bereits jetzt kann man aber doch zugestehen, dass es innerhalb gewisser Grenzen selbst im Iran so etwas wie Meinungspluralismus gibt – mehr als angenommen und zur allgemeinen Überraschung, sonst wäre die Nachricht davon ja kein Medienereignis. Auch wenn dadurch Meinungsfreiheit noch lange nicht greifbar wird, scheint sie doch ein winziges bischen vorstellbarer geworden.

  8. Fefe hatte schon drauf hingewiesen, und diesmal ist das in der Tat lesenswert: George Friedman kommentiert bei Stratfor.com die Verzerrte Wahrnehmung des Iran im Westen und kontrastiert das mit den Optionen für Obama. Guter Reality-Check:

    There are undoubtedly people who want to liberalize the Iranian regime. They are to be found among the professional classes in Tehran, as well as among students. Many speak English, making them accessible to the touring journalists, diplomats and intelligence people who pass through. They are the ones who can speak to Westerners, and they are the ones willing to speak to Westerners. And these people give Westerners a wildly distorted view of Iran. They can create the impression that a fantastic liberalization is at hand — but not when you realize that iPod-owning Anglophones are not exactly the majority in Iran.

  9. Wenn ich mir das ganze nochmals durch den Kopf gehen lasse, dann ergibt die These, wonach der Wächterrat versucht Ahmadinejad auf elegante Art und Weise los zu werden doch nicht allzuviel Sinn.

    Zumindest deutet einiges von dem, was bislang via sämtliche Kanäle aus dem Iran nach aussen dringt, darauf hin, dass sich weit mehr als die von Jens Berger etwas abschätzig genannte „Gucci-Gesellschaft“ Nordtheherans auf die Strasse wagt. Zumindest hinterlassen die Bilder und Videos den Eindruck eines Volkes, welches schlicht die Schnauze voll hat von „Strippenziehern“ jeglicher provenienz. However, time will tell.

  10. Natürlich geht es im Iran nicht um eine Demokratisierung und/oder Säkularisierung der Regierung und damit des Landes. Und natürlich ist Moussavi das eher „kleinere“ Übel. Aber Du erwähnst ja selber die „diplomatische Sackgasse“ und das macht uns (im Westen) doch die größten Schwierigkeiten, denn Achmachdochdschihad ist eben kein „Wendehammer“ …

  11. @Foxxi:

    Das mit der Demokratisierung ist so eine Sache: Auch wenn es keinem Präsidentschaftskandidat wirklich darum gehen dürfte – sonst hätten sie wohl kaum antreten dürfen – ist eine so große Massenbewegung in jedem Regime ein destabilisierendes Element, das sowohl zu einem friedlichen Umsturz als auch zu einer gewaltsamen oder gewaltfreien Widerherstellung des Status quo als auch zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg führen kann. Prognosen vermag momentan keiner abzugeben. Mir erscheint die Situation kaum von einzelnen Akteuren kontrollierbar…

  12. anonym

    Auf den Iran will ich hier mal nicht eingehen, aber auf das „cui bono?“. Denn das hat man ja viele Jahre überhaupt nicht gehört und gelesen; dabei kannte es früher (also, sagen wir mal, vor dreißig Jahren) fast jeder.
    Ich jedenfalls halte es für ein Grundproblem der Gegenwart, daß niemand sich deutlicher dafür interessiert. Das ist für mich eigentlich das Grundübel, daß die Medien beim 11. September nicht „cui bono?“ fragten. Daraus resultiert alles andere. Offenbar gab es in nahezu allen Medien spätestens mit diesem Datum ein deutliches Denkverbot oder eine Selbstzensur des einzelen Journalisten.
    Aber auch im Netz scheinen sich viele nicht bewußt zu sein, daß diese ganzen Verbote und Regulierungsversuche letztlich vor längerer Zeit vorbereitet wurden, in den USA und außerhalb, natürlich auch von den Staatsterroristen bei uns.
    Ach ja, und dann sind da noch die Personen, die voller Wut auf die „Verschwörungstheoretiker“ schimpfen, statt sich mit dem Problem selbst und seinen Auswirkungen ernsthaft zu beschäftigen (was sie offenbar unter allen Umständen vermeiden möchten).

  13. […] Don Dahlmann zu Iran und den Medien. […]

  14. […] via Iran und die Medien – Irgendwas ist ja immer – Reloaded. […]

  15. schräg

    Die Vermutung liegt nahe, das von westlichen Medien (allen voran den USA) versucht wird, den Iran durch ihre Berichterstattung von innen heraus zu destabilisieren.

    Möglicherweise wurde manipuliert, möglicherweise nicht. Ernsthafte Beweise gibt es keine. Damit bleibt alles was derzeit in den Medien gesendet wird pure Spekulation und schlecht recherchiert. Es ist daher ein Armutszeugnis derartige Anschuldigungen auszustrahlen.
    Ich hege die Vermutung das bei Bushs Wiederwahl Wahlbetrug betrieben wurde. Welcher Amerikaner, der bei klarem Verstand ist, wählt solch einen Präsident denn freiwillig ein zweites mal? Doch wurde deshalb gleich ein solcher Aufstand gemacht wie derzeit im Iran, NEIN! Denn westliche Medien propagieren keine Verfehlungen anderer westlicher Länder sondern nur von Ländern des Ostens (bzw. der „axes of evil“) und das umso härter.
    Das die FDP bei uns im Land solch einen Zugewinn verbuchen kann, wo doch der freie unregulierte Kapitalismus uns die Finanzkriese eingeproggt hat empfinde ich auch manipulationsverdächtig, deswegen wurde in den Medien aber auch nicht gleich aufgeschrieen.

    Im Iran dagegen vermute ich, scheint allein die westliche Berichterstattung dafür gesorgt zu haben, das die Menschen dort nun auf die Straßen gehen. Eine selbsterfüllende Prophezeiung und unerlaubte Beeinflussung von außen. Die Macht der Medien ist wirklich erschreckend.

  16. 1978/79, bevor der Machtergreifung der heutigen Machtinhaber, lebte ich als 10 jähriges Kind für ein Jahr im Iran in der Nähe von Bandera Bas. Meine Eindrücke aus dieser Zeit war, dass die meisten Leute sehr, sehr arm waren. Teilweise hatten sie nichtmal ein ordentliches Dach über den Kopf. Die Armut betrifft wohl einen Großteil der iranischen Bevölkerung und ich nehme an, dass sich nicht viel geändert haben wird (von den Leuten die in den Städten wohnen abgesehen). Bei diesen armen und zumeist ungebildeten Menschen können natürlich die Medien ihre „Macht“ ausüben.