Rückflug. Um acht verlasse ich das Hotel, eine Stunde später bin ich am Flughafen. Das Flugzeug ist voll mit Spaniern, selbst weiter hinten gibt es keine freien Plätze neben einem, was den 12.5 Stunden Flug insgesamt in Richtung „Unerträglich“ schiebt. Im Grunde sind alle „Economy“ Klassen für Menschen über 185cm komplett unerträglich. Ein Trick ist, dass man versucht via Online-Check in einen Tag vor dem Abflug einen der wenigen brauchbaren Sitze zu bekommen. Davon gibt es in den meisten Flugzeugen aber nur vier oder sechs Stück. Eine Lösung ist noch, dass man ganz hinten sucht. Meist versuchen die Airlines die Plätze verstreut zu buchen, damit man keinen Sitznachbar hat, und das von vorne nach hinten. Wenn das Flugzeug nicht ausgebucht ist, kann man viel Glück hinten eine ganze Sitzreihe bekommen. Ebenfalls brauchbar: die letzte Reihe außen, da die oft nur zwei und nicht drei Sitze hat. Die Enge ist jedenfalls nicht schön, wenn man auch noch eine sich laut unterhaltende Reisegruppe aus Spanien neben sich hat, kann das schon mal Mordgelüste auslösen.
British Airways bietet immerhin noch eine „Premium Economy“ an, eine etwas aufgepimpte Eco-Klasse, auf die ich gerne upgegradet hätte, aber dummerweise hatte mir das Reisebüro ein Ticket gebucht, dass man nicht mit Meilen upgraden kann, was ich auch erst ein paar Tage vor der Reise festgestellt habe. Auf der anderen Seite – 12 Stunden Flugzeit bis Shanghai und knapp 24 Stunden von Haustür zu Haustür sind doch immer wieder eine erstaunliche Sache. Eben steht man noch neben Garküchen, wird von hupenden Elektrorollern umkurvt und etwas später liegt man wieder im heimischen Bett. Eventuell kann man sich den nervigen Flug aber in ein paar Jahren sparen, wenn die Chinesen ihre Idee mit dem transnationalen Zug wirklich umsetzen.
Shanghai war toll. Ich war noch nie in einer Millionenstadt, die derartig pulsiert und wächst, in der es derartig ein so anderes, und doch dann irgendwie auch westliches und sehr positives Lebensgefühl herrscht. In China geht es gerade ab. Rund 10% Wachstum pro Jahr sind spürbar und die nächsten Jahre wird es so weiter gehen. Was da gerade an Kaufkraft entsteht ist unglaublich, dass der Westen aufpassen muss, steht mittlerweile in jeder Provinz-Zeitung. Dazu kommt, dass die fast die gesamte Infrastruktur Chinas erst neu gebaut wird. Was hier 20, 30 oder 40 Jahre alt ist, wird dort gerade neu gebaut. Das reicht von Brücken über Straßen, Industrie usw. bis hin Autos. Und Shanghai ist mitten drin. Wie sehr sich die Stadt in den letzten 20 Jahren geändert hat, lässt sich an diesem Vergleichsfoto erahnen.
In einer gewissen Weise ist Shanghai schon jetzt der „place to be“ für alle, die sich für offene, explodierende Städte interessieren, in der vor allem gearbeitet wird. Touristisch ist Shanghai, meiner Meinung nach, eher schwierig. Es gibt zwar einiges zu sehen, aber jetzt auch nicht so viel wie in Paris, London oder Berlin. Zu dem ist die Stadt durchaus anstrengend. Der irrsinnige Lärmpegel kann einen schon wahnsinnig machen, auch das sich die Chinesen scheinbar bei jeder Unterhaltung anschreien führt auch nicht gerade dazu, dass es leiser wird. Es ist dreckig, laut, es gibt einen höllischen Smog und man läuft permanent Gefahr überfahren zu werden. Aber dann ist Shanghai auch spannend, weil es kaum Regeln gibt und die Stadt einem im Moment noch das Gefühl gibt, dass alles möglich ist. Geschäfte entstehen im Minutentakt, die Lust am Vergnügen ist sehr groß, dementsprechend wird Abends auch gefeiert.
Gut, politisch ist die Sache bekanntermaßen schwierig, aber die meisten Expats, die dort schon lange leben, berichteten mir, dass sich von Jahr zu Jahr immer weniger Menschen um die KP kümmern und die sich auch weitesgehend aus dem Leben der Menschen raus hält. Menschenrechte sind und bleiben ein Problem für viele politisch engagierte Chinesen, aber zumindest in Shanghai merkt man wenig von Unterdrückung oder Willkür. Das es aber auch schnell anders sein kann, erfuhr ein Deutscher, der ohne Pass in der Stadt unterwegs war. Ein Polizist hätte ihn um ein Haar mit genommen, weil er auf Nachfrage nicht den Pass und das darin befindliche Visum vorzeigen konnte. Aber diese Dinge scheinen nach und nach immer seltener zu werden. Man merkt den Chinesen auch an, dass sie (zu Recht) stolz auf das sind, was sie bisher geleistet haben und dass sich fast alle auf die Zukunft freuen. Diese positive Grundhaltung ist eine Sache, die einem sofort an der Stadt auffällt, die andere ist, dass das Land im Gegensatz zu Europa trotz KP usw. angenehm unreguliert ist.
Eine der Dinge, auf die ich mich persönlich sehr gefreut habe, war das essen. Und ich wurde nicht enttäuscht. An manche Dinge habe ich mich nicht heran getraut. Da ich ja nicht zum Spaß in China war und arbeiten musste, hatte ich etwas Bedenken, einfach alles aus zu probieren. So habe ich, schweren Herzens, einen weiten Bogen um all die Garküchen auf der Straße gemacht, obwohl es wirklich verlockende Dinge zu sehen und riechen gab. Meist habe ich mich an etwas „besser“ aussehende Restaurants gehalten, die Vorsicht teilen allerdings auch die, die schon länger in China leben. Wenn man die Ecken und Läden nicht wirklich kennt, kann es schnell ungesund werden. Ein Problem (über das man besser nicht zu lange nachdenkt) ist die Massentierhaltung in China. Auch Kühlketten sind so eine Sache und wie teilweise mit Fleisch umgegangen wird, kann man ja bei den Fotos sehen. Je billiger das Essen ist, desto größer auch die Chance, dass etwas nicht stimmen kann. Das gilt wohl insbesondere für Garküchen, die weit vom nächsten Markt entfernt sind. Auf den Märkten selber gibt es die Probleme seltener. Man sollte einfach schauen, wo viele Chinesen stehen. Dort, wo die Sachen gut und schnell weggehen, müssen sie auch nicht lange gelagert werden. Auf jeden Fall sollten Fleisch und Fisch durch gegart sein. Aber wenn man darauf ein wenig achtet und seinem Magen ein paar Tage Zeit gibt, dann kann geradezu fantastisch essen. Gewürze und vor allem Gemüse, dass man noch nie gegessen hat, findet man sehr oft. Ich hab allein fünf verschiedene Spinatsorten probiert, die auf der englischen Karte alle unter der Bezeichnung „Grünes Gemüse“ liefen.
Aber ich will auf jeden Fall noch einmal nach Shanghai, am besten so schnell wie möglich. Allein wegen des Essens.
2 Antworten zu „Shanghai/London/Berlin – Tag 7“
Hab mich grad über die komische Sortierung der Artikel in meinem Feed-Reader gewundert. Da ist wohl entweder der atom-Feed irgendwie kaputt oder Du hast die Artiekel zu Tag 5, 6 und 7 am 14.03. geschrieben/angefangen und der nimmt das Datum statt des Veröffentlichungsdatums.
Dank für diese Shanghai-Einblicke