Die deutschen Autobauer hätten den Wandel zum Elektroauto verschlafen und Tesla werde VW, Mercedes und BMW bald ersetzt haben, wird gerne geschimpft. Dann wiederum sollen die Lichter ausgehen, wenn erstmal alle mit Elektroautos fahren, weil gar nicht genug Strom da sei, und Wasserstoff sei überhaupt viel besser. Was ist denn nun Sache?
Wolf-Dieter Roth hatte sich hierzu Ende 2017 bei BMW über den aktuellen Stand der Technik und die zukünftigen Pläne informiert. Dazu hatte der Bayerische Journalistenverband geladen. Doch nicht einmal dieser war anschließend bereit, über die Veranstaltung zu berichten. Es sei ja PR, bäh!
In Folge ging der Produktmanager zu Audi, das Entwicklungsteam zu Byton, und BMW bezeichnet nun ernsthaft wieder solche Dinosaurier als „Auto der Zukunft“ und macht mit Werbung wie „Gebaut, um den Atem zu rauben“ unfreiwillig dem Postillion Konkurrenz. Nur vom E-Auto redet aktuell keiner mehr…
Deshalb hier ein Blick in die Vergangenheit, als BMW noch konstruktiv in die Zukunft blickte, statt sie den Amerikanern und Chinesen zu überlassen.
BMW hat sich allen Vorurteilen zum Trotz früh mit Alternativen zum Benzin- oder Diesel-Auto beschäftigt. Ob Gas, Wasserstoff oder Elektro: Alles wurde ausgetestet. Tatsächlich hatte BMW bereits zur Olympiade 1972 ein Elektroauto gebaut, den BMW 1602e. Dieses Modell, von dem nur zwei Exemplare hergestellt wurden, lief mit zwölf Standard-Auto-Bleiakkus, war deshalb nicht besonders schnell und hatte nur eine Reichweite von 60 km. Es diente jedoch bei der Olympiade dazu, abgasfrei vor Sportlern fahren und von dort filmen zu können.
Frühe Anfänge
2006 hat BMW dann wieder eine spezielle „Elektroauto-Truppe“ auf dem Gelände der ehemaligen Werksfeuerwehr aufgebaut. Von dieser war anfangs wenig zu merken, weil BMW keine Pläne kommunizierte, um nicht gleich von anderen Herstellern nachgeahmt zu werden. Erst 2012 erschienen i3 und I8 im Markt – und sorgten für Erstaunen, weil sie so anders waren als bisherige Konzepte.
Dass es mit der heutigen Technik nicht nur aus Umweltgründen nicht dauerhaft weitergehen kann, ist klar: Die Ölvorräte sind begrenzt. Als Erdöl entdeckt wurde, war es ein störender Abfallstoff, für den verzweifelt irgendeine nützliche Anwendung gesucht wurde. Heute hängen dagegen ganze Industrien daran und eben der Verkehr.
Erdgas ist heute als Treibstoff deutlich preiswerter, weil noch geringer besteuert als Diesel. Die Verbrennung ist zudem schadstoffärmer. Doch die Quellen sind dieselben begrenzten Lagerstätten wie beim Erdöl – das Problem wäre mit einer Umstellung auf Erdgas also nur ein paar Jahre hinausgeschoben und nicht gelöst. Zudem sind die Abgase zwar sauberer als bei Benzin und Diesel, aber immer noch klimaschädigend. Da die Benzinpreise für die Autobranche unerwartet im letzten Jahrzehnt nicht weiter gestiegen sind, war das Kostenargument jedoch nicht ausreichend, hier in größerem Maß umzustellen.
Alternative Treibstoffe?
Biokraftstoffe wären eine Alternative, doch landen so Pflanzen im Tank, die zum Essen gebraucht werden. Synthetische Kraftstoffe wiederum müssen eben erst synthetisiert werden, was viel Energie benötigt und so den Wirkungsgrad der Gesamtkette verschlechtert.
Das gleiche Problem hat das eigentlich saubere Treibstoffgas Wasserstoff, das lange Jahre von BMW erforscht und favorisiert wurde: Die Verwertung in einem Verbrennungsmotor oder einer Brennstoffzelle – die zudem weit mehr rares Platin benötigt als jeder Katalysator – hat einen eingeschränkten Wirkungsgrad. Zudem ist schon die Erzeugung aus Wasser per Elektrolyse – wofür wiederum Strom benötigt wird – oder auf chemischem Weg ein weiteres Verlustgeschäft mit schlechtem Wirkungsgrad.
Zwar kann so überschüssiger Strom beispielsweise aus Windrädern verarbeitet werden, der sonst nicht genutzt werden kann. Allerdings ist es ein Unterschied, ob dieser Überschuss dann als Wasserstoff ähnlich dem Beifügen von Alkohol zum Superbenzin bei E5 und E10 dem Gas in den vorhandenen Erdgas-Netzen beigefügt wird oder aber nun aufwendig verflüssigt zu Tankstellen transportiert, dort sicher gelagert und dann sicher in ebenso druckfeste Autotanks gefüllt werden muss. Dies ist so aufwendig, dass Tankstellen den Wasserstoff kaum wie heute Alkohol oder Gas zusätzlich anbieten könnten, sondern nur anstelle anderer Kraftstoffe. Der Bau von Wasserstoff-Tankstellen ist sehr teuer, von siebenstelligen Summen ist die Rede.
Wasserstoff kommt für PKW zu teuer
Daher ist es sinnvoller, bei allen aktuell noch auftretenden Batterieproblemen den Strom direkt zum Fahren zu benutzen, statt den Umweg über Wasserstoff zu gehen. Nur für Speditionen zum Betrieb von LKW könnte Wasserstofftechnologie sinnvoll sein, weil es noch länger dauern dürfte, bis Akkus für LKW ausreichende Speicherkapazität bieten können. In diesem Fall würden die Speditionen sich eigene Wasserstofftankstellen anlegen.
Trotz aller Vorteile, insbesondere bei der lokalen Abgasfreiheit, dem Fahrkomfort, der höheren Zuverlässigkeit und der geringeren Geräuschentwicklung, ist ein Elektroauto aber nur dann sowohl wirtschaftlich als auch für die Umwelt ein Vorteil, wenn die CO2-Bilanz für die gesamte Lebensdauer – also nicht nur das eigentliche Fahren, sondern inklusive Produktion samt Batterie und Infrastruktur samt Stromerzeugung – günstiger ausfällt als bei einem Benziner oder Diesel.
An einigen Punkten steht es hier für das Elektroauto günstiger, als erwartet: Benzin kommt schließlich nicht fertig tankbar aus der Erde – die Raffination aus Erdöl benötigt viel Energie, ebenso der Transport zu den Tankstellen und deren Betrieb. Benzinautos sind nicht katastrophensicherer als E-Mobile, wie angesichts der aktuellen Hurrikane in den USA mit dem Zusammenbruch der Stromversorgung behauptet wurde: Bei Stromausfall ist an den Zapfsäulen Feierabend – mit einer Handpumpe würde das Auftanken sehr langwierig.
Elektroautos sind wirtschaftlicher als erwartet
Ebenso ist es Unsinn, dass bei einer Umstellung auf Elektroautos das Stromnetz nun jeden Abend pünktlich zur Tagesschau zusammenbrechen würde. Zunächst einmal geschieht die Umstellung auf Elektroautos selbst bei stärkerer Förderung nicht von heute auf morgen: Abgesehen von den bislang ohnehin geringen Zulassungszahlen wird im Normalfall der vorhandene Fahrzeugbestand ja nicht augenblicklich verschrottet, sondern noch bis zu 20 Jahre weiter genutzt, selbst wenn ab morgen kein Benzin- oder Dieselfahrzeug mehr neu zugelassen werden dürfte. Damit ist mehr als ausreichend Zeit, um die Stromnetze entsprechend anzupassen. Mit einer intelligenten Steuerung wie beim Projekt EplanB [1] kann die Stromentnahme aus dem Netz zudem über die ganze Nacht den akuten Auslastungen angepasst beziehungsweise beim Parken und Laden an Bahnhof oder Arbeitsplatz den ganzen Tag verteilt werden. Die heutigen Tankstellen würden ebenso kollabieren, wenn alle Autofahrer auf einmal abends um 20 Uhr zum Tanken führen.
Apropos Tanken: Im ländlichen Gebiet dürften Tankstellen außer für Fernreisende und als nachts erreichbarer Kiosk kaum mehr eine Rolle spielen, wenn die „Verbrenner“ aussterben: Strom kann schließlich zumindest in „gemütlicher“, akkuschonender Geschwindigkeit überall ohne besonders aufwendige Infrastruktur getankt werden: zuhause in der Garage, am Firmenparkplatz, am Pendlerparkplatz am Bahnhof, am Parkplatz vor dem Restaurant, der Disco, dem Kino oder wenn man Freunde besucht und diese einen „Besucherparkplatz“ bereithalten.
Strom gibt es prinzipiell überall
Je mehr Lademöglichkeiten es gibt, desto geringer wird der Bedarf, einen komplett leergefahrenen Akku in kurzer Zeit wieder voll bekommen zu müssen – dieses Problem stellt sich dann eigentlich nur bei Urlaubs- und anderen Fernfahrten, aber nicht im Alltag mit Privatfahrzeugen, die zum Einkaufen und zur Fahrt ins Büro bewegt werden.
Schwieriger wird es zugegeben in der Stadt, wo eigene Garagen rar sind. Stattdessen wäre es hier möglich, Tiefgaragen und Straßenlaternen um Ladestationen zu ergänzen, die langsames Laden über Nacht ermöglichen. Zur induktiven Übertragung würde es sogar ausreichen, dass das Fahrzeug auf einem entsprechenden Parkplatz abgestellt ist. Nur das Schnellladen benötigt eine besondere Elektro-Infrastruktur und würde weiterhin an Tankstellen angeboten. Doch selbst hier wäre diese Technik weniger aufwendig als die heutige.
Die aktuelle Akkumulatorengeneration ist bereits leistungsfähig genug, um in der Praxis 200 km Reichweite zu erreichen. Das ist noch nicht mit der Reichweite einer Tankfüllung vergleichbar. Zwar könnten größere Akkus eingebaut werden, jedoch leidet darunter die Wirtschaftlichkeit des Fahrzeugs, weil es schwerfälliger und teurer wird. Allerdings hat BMW Vertrauen in die Weiterentwicklung der Akkumulatorentechnik – die nächste Generation ihrer reinrassigen Elektroautos ohne Verbrennerergänzung (Hybrid) soll 600 km Reichweite erreichen.
Sicherheitsfragen
Dabei ist die Sicherheit zu beachten. So gab es Pläne, Akkus an Tankstellen zu tauschen. Das hätte natürlich große Vorteile, weil für den Autofahrer die lästige Ladezeit entfällt: leerer Akku raus, voller rein, fertig.
Doch abgesehen von der Problematik, beim Akku-Tausch keine „alten Gurken“ angedreht zu bekommen, die unerwartet früh schlappmachen, haben die heutigen Lithium-Ionen-Akkus bereits eine Energiedichte erreicht, bei denen Beschädigungen und Kurzschlüsse zur Selbstentzündung führen – schon bei Smartphones. Ausgerechnet der Lithium-Ionen-Akkuproduzent Samsung führte dies ja beim Modell Galaxy Note 7 vor und musste das Gerät schließlich vom Markt nehmen.
Etwas Vergleichbares bei einem Automobil-Lithium-Akkumulator könnte schlimmer ausgehen als ein brennender Benzintank. Deshalb werden bei BMW die Akku-Aggregate verkapselt. Damit sind sie schwerer tauschbar – zudem wäre das Risiko von Beschädigung oder Kurzschluss beim Tausch besonders groß. Mit zukünftig höheren Kapazitäten wird der häufige „Boxenstopp“ dann ohnehin überflüssig und das Konzept der „Tauschbatterie“ hat sich erledigt.
Komplette Neuentwicklung
Natürlich wäre es für BMW einfacher gewesen, an der bewährten Technik des Verbrennungsmotors festzuhalten, die man immer weiter entwickelt hat – im Gegensatz zu anderen deutschen Autoherstellern wohl ohne unlautere Softwaretricks. Mit der bisherigen Technik ist der Hersteller schließlich seit Jahren gut im Geschäft, während die ersten der neuen Elektroautos, der i3 [2] und der Hybrid i8, aufgrund der wenig begeisternden früheren Versuche nicht auf bestehende Chassis aufgesetzt, sondern komplett neu entwickelt wurden. Das war teuer, jedoch konnten so die Vorteile eines Elektroantriebs genutzt werden wie dezentrale Motoren an den einzelnen Rädern statt eines zentralen Motors mit aufwendigem Antriebsstrang inklusive Differenzialgetriebe.
Inzwischen können andere von diesem Entwicklungsaufwand profitieren. So nutzen die neuen Elektrosprinter-Zustellfahrzeuge der Deutschen Post die Batterie- und Motortechnik des BMW i3, was deren vielbewundert schnelle Entwicklung erklärt. Die Polizei von Los Angeles hat bereits 100 BMW-E-Autos im Einsatz und der deutsche Staat insgesamt bereits über 1.100 i3. Insgesamt sind in Deutschland mittlerweile über 10.000 i3 zugelassen. Zudem scheint der Hersteller sein bisheriges Klischee-Image zu überwinden („wer rücksichtslos fährt und parkt, sitzt bestimmt in einem BMW, also so ein Auto will ich nicht“) – 4 von 5 Käufern eines BMW E-Autos hatten zuvor kein Fahrzeug dieser Marke.
Der Käufer wird von all diesen Vorteilen allerdings nicht überzeugt sein, solange ihm die neue Technik Probleme bei der Umstellung und zumindest in der Anschaffung höhere Kosten beschert. Eine reine Elektroprämie reicht nicht, um die Nachfrage zu erhöhen, wie an der aktuellen Entwicklung in Deutschland zu sehen ist. Dem Käufer muss die Angst genommen werden, dann mit einem Auto dazustehen, das er nicht sicher mit „Treibstoff“ versorgen kann.
Deshalb gibt es von BMW auch Ladestationen für zuhause und auch solche unterwegs, als „Stromtankstellen“. Zwar kann es nicht dauerhaft die Aufgabe eines Autoherstellers sein, die Infrastruktur für seine Fahrzeuge ebenfalls bereitzustellen, allerdings erleichtert es den Start, wie bei Tesla mit seinen Supercharger-Stationen mit für Tesla-Besitzer sogar kostenlosem Strom zu sehen ist. Tatsächlich hat BMW mit 5800 Stationen an über 3000 Standorten bereits mehr öffentliche Ladestationen weltweit als Tesla.
Elektroauto-Vorteile
Die hohen Anschaffungskosten relativieren sich wiederum dadurch, dass der Wertverlust eines Elektroautos deutlich geringer ist. Tatsächlich nutzen sich neben Radlagern und anderen mechanisch belasteten Teilen, deren das Elektroauto jedoch wesentlich weniger hat als ein Verbrenner, hauptsächlich die Akkumulatoren im Laufe der Jahre ab. Dies übrigens weniger, als zunächst befürchtet: nach 10 Jahren ist im Normalfall auch bei Vielfahrern noch kein Tausch erforderlich. Die Elektromotoren sind weit weniger verschleißgefährdet als ein Otto- oder selbst Dieselmotor und die beim Verbrenner ins Geld gehenden Ausfälle und Erneuerungen bei Auspuff, Katalysator, Einspritzanlage, Zündkerzen etc. entfallen vollständig.
Andere Ideen können Elektroautos ebenso attraktiv machen – neben zusätzlichen Fahrspuren oder entfallenden Steuern und Mautkosten sind inzwischen Parkhäuser in Planung, in denen die Autos nur bequem am Eingang abgegeben werden wie heute in den USA an Personal, und sich dann selbst einen Parkplatz suchen. Der Besitzer muss sich folglich weder mit zugeparkten Türen noch dunklen Ecken herumplagen. Mit einem heutigen Verbrenner mit Schaltgetriebe ist so etwas nicht umsetzbar.
Ebenso könnte das Auto mit seinem Akkumulator als Puffer nicht nur für das öffentliche Stromnetz, sondern auch die eigene Solar-Stromerzeugung dienen – und als Notstromversorgung bei Stromausfall. Hierzu ist lediglich eine bidirektionale Ladeelektronik erforderlich.
Dennoch werden die klassischen „Stinker“ noch lange unsere Straßen bevölkern: Dirk Arnold, Leiter Produktmanagement BMW i und E-Mobility, geht davon aus, dass der Verbrennungsmotor in Deutschland den Autoverkehr noch lange nach 2025 dominiert. Weshalb es weder eine Lithiumknappheit noch Stromausfälle durch Elektroautos geben sollte.
Literatur
[1] Website von E Plan B:
www.eplanb.de
[2] Roth, W.-D., DL2MCD: Elektroauto als Alternative, FUNKAMATEUR 66 (2017), H. 2, S. 113